Der VERTRIEBSIMPULS –

Den Kunden immer wieder „wachküssen“

Bestimmt kennst Du das Märchen „Dornröschen“, die in einem tiefen, langjährigen Schlaf verfällt, um dann von dem mutigen Prinzen wachgeküsst zu werden. Von einem, der andere Wege geht als jene vor ihm, die schlichtweg gescheitert sind.

Auch beim Bestandsaufbau im Vertrieb geht es manchmal darum, Kunden wachzuküssen und vor allem darum, den Mut zu haben, neue Wege auszuprobieren.

Das latente, unausgesprochene und somit nicht durch den Kunden vorgetragene Bedürfnis ist quasi das Dornröschen, das wir wecken können.

Jüngst erreichte mich bei einem Abendessen folgende Story:

Ein erfolgreicher B2B-Sales Rep musste seine gesamten Kunden auf 4 andere Sales-Kollegen aufteilen. Der Grund dafür: Er wurde durch den Vorstand in ein internationales Projekt einbezogen, wo seine Expertise benötigt wird. Bei der Übergabe der Kunden war alles soweit unspektakulär, bloß bei seinem mit Abstand größten Kunden, machte man sich in der gesamten Business-Unit sorgen.

Denn nur er – so dachten alle – kenne den Kunden richtig gut, weil er ihn seit über 10 Jahren betreut und wisse, wie die Kompetenzträger dort „ticken“.

Bereits 3 Monate später stellte der Vertriebsleiter entgegen aller Erwartungen fest, dass genau bei diesem einen, hochsensiblen Kunden, die Umsätze nicht geschrumpft, sondern sogar gewachsen sind. Weitere rund 3 Monate später hat sich der Gesamtumsatz des Kunden nahezu verdoppelt.

Glück des Zufalls? Rückenwind vom Markt? Was ist geschehen?

Es wurden schlichtweg Potentiale gehoben, die vorher latent schlummerten. Ein neuer Prinz, der neue Wege geht, um das Dornröschen zu wecken.

Es soll nun nicht so dargestellt werden, als hätte der quasi alte Sales-Rep seinen Job nicht sauber gemacht. Ganz im Gegenteil, seine zutiefst ehrliche Haltung war: „Keiner kennt diesen Kunden besser als ich.“ Sogar die ganze Abteilung inklusive des Vertriebsleiters dachten das.

Dennoch, diese Begebenheit zeigt etwas auf, das möglicherweise jeden Tag im Vertrieb so gelebt wird: Du bist dir sicher, den Kunden zu kennen und präzise zu wissen, was er oder sie braucht und was nicht. Und genau diese mentale Schonhaltung wird in der Langfristbetrachtung zur Einladung an den Wettbewerb, der dort Geschäft platziert, das Du nicht gemacht hast – weil Du ja den Kunden kennst. Klingt paradox, ist aber wahr. Du weißt, wie viele Kinder er/sie hat. Ob er lieber am Berg oder ans Meer fährt und vielleicht sogar, ob er seinen Espresso mit oder ohne Zucker genießt.

Aber weißt du auch, aus welchen Gründen er die Entscheidungen trifft, die er eben trifft?

Zu glauben, man kennt Kunden, weil man jahrelang zusammenarbeitet, kann gefährlich sein, weil es Wachstumspotentiale und Änderungswilligkeit untergräbt.

Nicht selten höre ich aber genau das in Trainings (wenn wir Beweggründe und Kaufentscheidungsmuster behandeln):

„Ich bin mit meinen Kunden gut verbunden seit vielen Jahren und weiß sowieso, was er braucht…“.

Mein Angebot an dieser Stelle: Finde es raus! Nicht trotz, sondern gerade weil Du den Kunden sehr nahe zu sein glaubst, hol dir durch andersartige Fragen und auch Darstellungen immer wieder die Bestätigung, dass deine Schablone, durch die Du auf diesen Menschen blickst, auch ansatzweise der Realität entspricht.

Gerade im Lichte der aktuellen, multiplen Herausforderungen, treffen Menschen Entscheidungen (privat wie beruflich) unter anderen Gesichtspunkten und Motivationen. Wenn das Umfeld in Bewegung ist – und das ist es immer – dann hat das früher oder später einen Impact auf den Menschen und sein Verhalten.

Wenn Du dich in einem Anfall von Selbstreflexion das nächste Mal dabei ertappst, dass Du dich für einen wichtigen Kundentermin nicht mehr ausreichend vorbereitest, weil du glaubst „den Kunden eh gut zu kennen“, dann sollten deine inneren Alarmglocken schrillen. Falls Du das als übertrieben empfindest, dann denke bloß an das oben erwähnte Example. Der wahre Grund, weshalb der neue Sales Rep das Dornröschen wachküssen konnte, liegt ganz bestimmt nicht an Mehr-Fachkompetenz per se oder einer flinkzüngigen Verführungskunst.

Er ging einfach nur einen neuen Weg in der Kommunikation, weil er vorbehaltlos den Menschen und seinen Motivhaushalt entdecken wollte. 

Nur darum ist es ihm gelungen, Neuland im Kopf des Kunden zu betreten und Umsatzpotentiale zu heben, die der andere nicht sehen konnte – weil er ja den Kunden kannte.

Unter dem Begriff „Zero Base Selling“ trainieren wir, bei D.R.Vertriebsimpulse, genau diese vertriebsalltäglichen Herausforderungen. „Zero Base“, also quasi von der Nulllinie weg zu denken und zu kommunizieren, Fragen mal anders zu stellen und keine mentalen Abkürzungen in der Kundenbewertung zu nehmen, ist gerade für eingefleischte Vertriebskenner & Junggebliebene der Verkaufswelt ein Thema, das hohe Priorität genießen sollte.

Wenn die/der Leserin/Leser dieses Artikels hierzu denkt: „Stimmt, aber uns betrifft das nicht. Nur die anderen…“, dann ist das möglicherweise das erste Zeichen, dass er/sie unter akuten Überlegenheitsillusionen leidet.

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